Der nachfolgende Aufsatz ist erschienen in:
„Heimat in vergangenen Tagen“
von Peter Pius Ohlig (1865 – 1952)
Bendorf, 1951, 100 S.
Bendorf. Der ehrwürdige Bau der St.Medard Pfarrkirche ist mit dem Reichardsmünster in Bendorf von hoher kunstgeschichtlicher Bedeutung.
Im Verlage von Kurt Schroeder-Bonn ist ein Werk ,,Forschungen zur Kunstgeschichte Westeuropas“, herausgegeben von Eugen Luthgen, erschienen, welches im Band 10 unter ,,Die Andernacher Bauhütte“ Studien zur spätromanischen Architektur veröffentlicht und eingehend die Bauten der Andernacher Bauhütte behandelt. (Kunsthistorisches Seminar von Prof. Dr. Paul Clemen in Bonn). Band 10 hat drei Abschnitte; Abschnitt 1 handelt von der Andernacher Liebfrauenkirche (urkundliche Nachrichten, Baubeschreibung und Datierung); Abschnitt 2 behandelt 1. Friedhofskapelle St. Thomas zu Andernach, 2. Augustinerkirche zu Lonnig, 3. St. Medard zu Bendorf und 4. Laacher Vorhalle. Abschnitt 3 von den von der Andernacher Bauhütte abhängigen Bauten: 1. Langhaus von St. Castor in Koblenz, 2. St.Laurentius in Moselweiß, 3. St.Severus in Boppard, 4. St.Pantaleon in Köln, 5.Liebfrauen in Koblenz, 6. Feldkirche, 7. Güls, 8. St.Georg in Limburg an der Lahn, 9.das Reichhardsmünster in Bendorf, 10.die Vorhalle im Dom zu Lübeck.
Auf Seite 52, Band 10, Abschnitt l bezüglich Datierung der Liebfrauenkirche zu Andernach heißt es:
„Der auf den folgenden Seiten geführte Nachweis, daß die heutige Kirche von Bendorf und die von Moselweiß, beide im Kreis Koblenz gelegen, von der Andernacher Hütte gebaut sind, gibt uns einen neuen Anhaltspunkt zur Datierung der Andernacher Kirche. Im Jahre 1204 war die Bendorfer Kirche vollendet, denn im Jahre 1204 bestätigte Erzbischof von Trier die Unabhängigkeit der Kirche in Bendorf von der Engerser Kirche (siehe auch; St.Medard – ein Beitrag zur Gründungsgeschichte), die vom Grafen von Sayn und einigen anderen Edlen erbaut worden war. Der Erzbischof spricht von einer bereits erbauten Kirche (a primis exstruxerint fundamentis)“
Seite 63, Abschnitt 2, beginnt das Kap. 3: Bendorf – St. Medard. Der Einleitungssatz lautet:
„St. Medard zu Bendorf, Krs. Koblenz, ist eine weitere Kirche, die wie bisher nicht bekannt, wohl mit Sicherheit dem Architekten der Andernacher Bauhütte zuzuschreiben ist. Da die Kirche fest datiert werden kann, haben wir ein weiteres wichtiges Datum für die Chronologie der Andernacher Kirche. . .“
Auf Seite 64 und 65 wird die Beschreibung der Kirche fortgesetzt. Der Schlußsatz der interessanten Ausführungen über Bauform und Malereien der Bendorfer Kirche lautet:
„Zusammenfassend können wir sagen: Wenn wir den Bau in seiner Gesamtheit in Raumbildung und Proportionsverhältnissen sowie in den Einzelformen auf uns wirken lassen, müssen wir feststellen, daß hier kein Nachbilder gebaut hat, der einige Formen abgelesen, sondern daß hier der führende Architekt der Andernacher Hütte selbst tätig war.
Auch die Ausmalung der Kirche, die wohl gleich nach Fertigstellung erfolgte, die figurlichen Darstellungen stammen aus dem 13. Jahrhundert, zeigt ähnliche Motive wie die Andernacher Kirche.
Clemen nennt sie neben der unruhigen bunten Ausmalung von Andernach und neben der klaren aber allzukräftigen bdf-0028ation von Boppard ein richtiges Zwischenglied.
Auf Seite 68 (Beschreibung von Laurentius-Moselweiß) heißt es: Schon Kugler macht in seinen kleineren Schriften zur Kunstgeschichte darauf aufmerksam, daß die Kirche von Moselweiß der von Bendorf im Grundriß gleicht und weist damit indirekt schon auf die Beziehungen zur Andernacher Hütte hin. Auf Seite 69 heißt es dann ferner: Die Mittelschiff-Arkaden sind einmal abgetreppt, das Sockel- und Deckplattenprofil ist das gleiche wie in Bendorf und St. Castor, im Obergaden liegen die beiden Fenster in jedem Joch in der Verlängerung der Pfeilerachse und sind wie in Andernach nach unten stark abgeschrägt.
In einem Hinweis auf Äußerlichkeiten in der Bauart von St. Pantaleon und der St.Mathiaskapelle zu Cobern heißt es auf Seite 75: „Das auffällige Radfenster an St. Mathias finden wir im Dreiecksgiebel des Turmes von Bendorf, zeitlich früher läßt es sich schon an der Außengliederung von Gr. St. Martin in Köln feststellen.
Auf Seiten 84-86 wird eingehend das Reichardsmünster in Bendorf behandelt. Der Verfasser schreibt darüber im Eingang des Kapitels: ,,Zwei bis drei Jahrhunderte nach Vollendung der Bendorfer Pfarrkirche baute ein Meister, der wohl in der Hütte tätig war, die die Umbauten von St. Pantaleon in Köln vor 1216 ausführte, an die Pfarrkirche in südlicher Richtung das sogenannte Reichardsmünster.“ (Zu diesem Satz ist folgende Anmerkung: P. Clemen, die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden. Düsseldorf 1916. S. 628: „Um 1240 wurde die merkwürdige Doppelkapelle an der Südseite des sogenannten Reichhardsmünster angebaut: vgl. Renard über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz, Bonn 1908. S. 29 f.)
Auf Seite 85 (Beschreibung des Innern der Kapelle) heißt es: Wir haben hier eine ganz ähnliche Raumgestaltung wie im Kapitelsaal von St. Pantaleon. Auch ein Detail beweist, daß nahe Beziehungen zu St. Pantaleon bestehen; über einem Eingangsbogen ist ein Rundstab genau wie an den beiden Fenstern an der Nordwand des Kapitelsaales gelegt, der Rundstab verläuft in sechseckiger Form, an der oberen Seite biegt er aber in der Mitte zu einem Halbkreis um. Ich kenne das Motiv nur in St. Pantaleon und am Reichhardsmünster.
Der Schlußsatz auf Seite 86 lautet: Polygonale Kämpfer wie die gotischen Formen des Portals lassen vermuten, daß die Kapelle etwa um 1230 erbaut ist.
Der Einfluß der Andernacher Bauhütte auf die Vorhalle des Lübecker Domes wird in Kapitel 10 nachgewiesen. Auf Seite 88 schreibt der Verfasser: „Auf Verbindung mit der Andernacher Hütte weist ferner der hängende Schlußstein in der Lübecker Vorhalle, der seit 1204 in Bendorf, dann im Kapitelsaal von St. Pantaleon in Köln und später öfters in Bauten, die von der Andernacher Hütte beeinflußt sind, vorkommt.“
Mögen die mitgeteilten Auszüge aus der Klein’schen Schrift das Interesse der Bendorfer Bevölkerung an den kunstgeschichtlichen Bauten unserer Stadt wecken und vielleicht dazu beitragen, daß das von Prof. Clemen als merkwürdige Doppelkapelle bezeichnete altehrwürdige St. Reichhardsmünster, in seiner ursprünglichen Form wieder hergestellt wird.
Sehenswürdige Grabdenkmäler
Die unter Denkmalschutz stehende, im romanischen Stil erbaute und 1204 vollendete Kirche St. Medard läßt vermuten, daß an ihrer Stelle schon eine ältere christliche Kultstätte vorhanden war.
In der Chronik der Stadt Bendorf von Dr. C. Fries heißt es, daß nach den ältesten Urkunden im Archiv der Diözese Trier, der Gründer der ersten größeren christlichen Gemeinden Bendorf, Engers und Rommersdorf der von dem fränkischen König Pipin, zur Verbreitung des Christentums im Rheingebiet herangezogene Bischof Willibrord gewesen sei und daß, nach einer alten Volkssage die Bewohner Bendorfs und der Umgebung von ihm getauft wurden. Willibrord ist im Jahre 739 in das rheinfränkische Gebiet gekommen. Das uralte aus Ruhrsteinen gearbeitete Taufbecken, außerhalb der Kirche, stammt wohl aus dieser Zeit.
Bei den im Anfang des 20. Jahrhunderts auf Veranlassung des Konservators der Rheinprovinz vorgenommenen Instandsetzungsarbeiten an der Kirche, wurden unter der Tünche alte Wandmalereien freigelegt und sorgsam wiederhergestellt. Die jetzt dem evangelischen Kult dienende, zum größten Teil beim Luftangriff 1944 (Sylvester) zerstörte Kirche ist ein Schmuckstück alter Baukunst. Sie enthält u. a, ein die Jahreszahl 1529 tragendes Sakramentshäuschen und verschiedene sehenswerte Grabmäler.
(Bitte beachten Sie, daß die hier besprochene Kirche St.Medard an Silvester 1944 einem Bombenangriff zum Opfer fiel, und nur in Teilen in den neuen Baukörper der wiederaufgebauten Kirche einbezogen wurde. Erhalten geblieben sind der Ost-Chor mit der romanischen Ausmalung und zwei Joche des rechten Seitenschiffes. Zur Datierung der Entstehungszeit des Reichardsmünsters; durch das Bombardement wurden Gebäudeteile freigelegt, die für eine Entstehungszeit des Reichardsmünsters vor dem Bau der St.Medarduskirche sprechen. Eine archäologisch- kunsthistorische Gebäudeaufnahme vor dem Neubau – Einweihung der neuen Kirche 1955 – ist nicht erfolgt. WK.)
Bemerkenswert sind folgende Grabmäler
1. das mit den gräflichen Wappen von Dohna und von Dicheren und Riedtesel und Pasadossrin geschmückte Grabmal der Anno 1652, den 17. November gestorbenen Freifrau Rosina von Metternich, geborene Burggräfin von Dohna;
2. der die Wappen der Familien Kessel und Waschpfennig tragende Grabstein der edlen Frau von Genersch, geborene von Müllenarch, am 25. Oktober 1675 selig in dem Herrn christlich entschlafen;
3. die mit dem Wappen der Geschlechter Passau-Penta, v. d. Lippe und v. Rheden gezierte Grabplatte, des am 5. Juni 1703 in dem Herrn selig entschlafenen Hochwohl geborenen Freiherrn Christian Adolf von Passau, Gr. Capitain v. d. dem Lo. Regiment v. Tungens- Alters 20;
4. ein Grabmal mit der Inschrift: Dem Hoch wohlgeborenen Heinrich Sprecher von Bering Obrist über ein Büdner Regiment in holländischen Diensten, geboren 23. September 1692 zu Luzern, gestorben in Koblenz, auf der Reise nach Holland, den 11.Mai 1763, hier beerdigt den 12. Ejus. ds. setzten dieses Denkmal seine Söhne Christoph und Johann 1771;
5. Grabmal in Basaltlava des 1598 verschiedenen Edlen Wilhelm Sein. Amtmann;
6. Sandsteinmal der 1611 verstorbenen Johannette von Steprodt des Edlen und Vesten Maximilian von Steprodt, seine Hausfrau.
An die alte Kirche wurde etwa um 1240 eine zierliche romanische Kapelle mit 2 kleinen Türmen angebaut. Sie wurde das „Reichhardsmünster“ genannt, gehört den Katholiken und wurde 1790 durch einen Erweiterungsbau vergrößert, der 1869 wieder einem umfangreichen Neubau weichen mußte. Das Reichhardsmünster bildet mit diesem zusammen die große katholische Kirche. In ihr befindet sich an dem Eingang zum westlichen Seitenschiff, in die Wand eingelassen, eine Grabtafel mit der Inschrift: ,,Ici repose Eugenie Napoleon Comtasse de Beau.harnis mort le 12. Avril 1812.“
Der Denkstein bezeichnet den Ruheort einer Nichte Napoleons I. welche zu Bendorf im elterlichen Hause ihrer Mutter, 1812 gestorben ist. Die Beurkundung im Totenregister der kath. Pfarrgemeinde Bendorf lautet nach pfarramtlicher Darstellung wie folgt:
„12. Aprilis obiit juvenis Comittissa Eugenia Napoleon Francisca Paulina Clementina de Beauharnais filia legitima illustrissimi Domini Comitis de Beauharnais hic in itinere existentis et Natione Gaill, Infantis mater Christina de Cohausen (in fans?) aetatis 2 annorum et 8 mensium.“ Zu deutsch: Am 12. April 1812 starb die jugendliche Marquise Eugenie, Napoleon, Franziska, Pauline, Clementine Beauharnais, eheliche Tochter des hochgeborenen Marquis de Beauharnis, der auf einer Reise sich hier aufhielt und der Nation nach Franzose war. Die Mutter des Kindes ist die Christine de Cohausen. Das Kind war 2 Jahre und 6 Monate alt.
Die im heimatlichen Interesse diesbezüglich angestellten Erhebungen führten zu folgendem Ergebnis:
Die deutsche Botschaft in Paris teilte mit, daß der Vater der Komtesse, François de Beauharnis, Diplomat im Dienste Kaiser Napoleons, Vertreter Frankreichs in Florenz und Madrid war. Er war in erster Ehe mit einer Beauharnis und in zweiter Ehe mit Christine Louise von Cohausen verheiratet. Die kleine Eugenie war das erste Kind aus dieser zweiten Ehe. Nach den von der deutschen Botschaft mitgeteilten Einzelheiten ist sie eine rechte Cousine der Kinder der Kaiserin Josefine, d. h. der Königin Hortense und des Prinzen Eugen, die bekanntlich von Napoleon adoptiert worden sind. Eugenie war also, wie einwandfrei feststeht, eine Nichte der Kaiserin Josefine und des Kaisers Napoleon.
Im Rhein. Antiquarius (II. 2. 1851) schreibt Chr. von Stramberg, daß François de Beauharnais seit 1804 diplomatischer Vertreter in Florenz und von 1806 ab, Gesandter in Madrid gewesen sei. Er fiel 1808 in Ungnade und lebte dann teils in Horchheim und teils Bendorf. Bendorf war nach Stramberg (Rh. Ant. K. 681) die Heimat seiner Frau Louise, geborene Cohausen. In einem Protokoll der nassauischen Regierung zu Ehrenbreitstein von 1812 wurde ein Vermerk gefunden:
„v. Beauharnais Aufenthalt im Umbscheidenschen Haus in Bendorf“. Die Feststellung im Staatsarchiv bestätigt die Angaben Strambergs, daß Bendorf die Heimat der Frau Christine von Beauharnais mütterlicherseits war, denn ihre Mutter, die Gattin des Justizsenatsdirektors Karl Kaspar Hubert von Cohausen war Auguste Elisabeth von Umbscheiden von Ehrenkron. Die Familie Umbscheiden von Ehrenkron besaß den freiadligen, ehemals von Brühl’schen Hof in Bendorf. Dieses Gebäude, welches in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das Justizamt beherbergte, liegt am Marktplatz und diente in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts Schulzwecken.
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