Wie der Kemperhof
nach Bendorf kam
von Dieter Kittlauß
Das Weingut "Kemperhof" des
niederrheinischen Klosters Altencamp:
Am 23. Januar 1123 unterzeichnete der
Kölner Erzbischof Friedrich die
Stiftungsurkunde für ein Zisterzienserkloster
am Niederrhein und beauftragte seinen
Bruder Arnulf aus dem französischen Kloster
Morimond in Frankreich) mit der
Klostergründung. 12 Mönche machten sich
auf den Weg und nahmen eine
Schädelreliquie der Heiligen Agatha mit,
einer frühchristlichen Heiligen in Sizilien.
Doch das neue Kloster musste erst gebaut
werden, denn die ganze Gegend um den
heutigen Landkreis Mors war
Sumpflandschaft. Landwirtschaftliche
Betriebe mussten entwickelt werden, um die
Versorgung der Mönche zu sichern. Um 1150
wurde mit dem Bau der Klosteranlage auf
einem ganz in der Nähe liegenden Hügel,
dem Kamper Berg, begonnen. Das Kloster
Altenkamp wurde bereits in den nächsten
Jahrzehnten zur Zelle für viele
Töchterklöster und vermehrte seinen
wirtschaftlichen Besitz. Zur Sicherung der
Selbstversorgung wurden auch Weinberge
angelegt und erworben. Dazu gehörten
mehrere Weinberge an der Untermosel,
darunter auch ein Weingut in Wissa, dem
heutigen Moselweiß.
Das Weingut "Kemperhof" unter den
Koblenzer Karthäusern bis zu
Säkularisierung:
Da die Trierer Kurfürsten ihre
Wirtschaftspolitik änderten, berührte dies
auch die Besitzungen des Klosters
Altencamp im Bereich des Kurfürstentums.
Bereits der Trierer Kurfürst Balduin (1307-
1357) annullierte einen päpstlichen Freibrief
aus dem Jahre 1213 und verlangte von den
"ausländischen" Einrichtungen Abgaben,
Zölle und Frondienste. Die Belastungen
wurden schließlich für das Kloster so
gravierend, dass 1355 das Kempergut in
Moselweiss verkauft werden musste. Käufer
waren die Karthäuser auf dem Koblenzer
Beatusberg. 450 Jahre florierte der
Koblenzer Weinbau unter den Karthäusern.
Dies änderte sich durch die Säkularisierung.
1805 wurde das Karthäuserkloster aufgelöst
und durch den französischen Staat verkauft.
Dies betraf auch das Weingut Kemperhof.
Die Häuser wurden zur Fabrikproduktion für
eiserne Töpfe und Stoffgerberei
umgewidmet.
Das katholische Waisenhaus "Kemperhof":
Im 19.
Jahrhunderts
kam es in
Koblenz unter
Clemens
Brentano und
Joseph von Görres zu einer
Rekatholisierung. Aus sozialer
Verantwortung spielten Initiativen für
Hilfsbedürftige eine besondere Rolle. 1819
errichtete der neugegründete "Katholische
Frauenverein" eine freie Schule zur
Ausbildung von Hausmädchen und 1833 ein
Waisenhaus im ehemaligen St. Barbara-
Kloster. Die Gründung eines Waisenhauses
für Knaben erwies sich als wesentlich
schwieriger, gelang aber durch Gründung
eines "Katholischen Männervereins für arme
Knaben". Zu den Spendern gehörte auch ein
italienischer Industrieller Crachi aus dem
Piemont. Der Männerverein kaufte 1850 den
Kemperhof mit all seinen Gebäuden und
Ländereien, um hier ein Waisenhaus mit
Schule unter der Leitung von französischen
Schulbrüdern, die deutsch sprachen, zu
errichten. Der schlechte Bauzustand der
Gebäude legte Abriss und Neubau nahe. Am
3. Juni 1850 erfolgte die Grundsteinlegung
für das neue Waisenhaus "Kemperhof".
Prinzessin Augusta von Preußen, die Ehefrau
von Kronprinz Wilhelm, der als Gouverneur
von Rheinland und Westfalen in Koblenz
seinen Sitz hatte, übernahm das Patronat.
Am 15. Oktober 1851 wurde das neue
Waisenhaus mit 52 Zöglingen eröffnet.
Bereits 1855 betreute das Waisenhaus 100
Zöglinge.1861 wurde dem Waisenhaus eine
Schule angegliedert. Bedingt durch den
Kulturkampf des Preußischen Staates mit
der Römischen Kirche wurden 1879 die
pädagogischen Ordensleute (deutsch
sprechende französische Schulbrüder) durch
weltliche Lehrkräfte ersetzt.
Der Kemperhof als städtisches Krankenhaus:
Die Wirtschaftskrise (Inflationszeit nach dem
1. Weltkrieg) traf auch die sozialen
Einrichtungen. 1921 musste die Stiftung, die
den Kemperhof mitgetragen hatte, aufgelöst
werden. Am 28. Februar 1921 beschloss der
Koblenzer Stadtrat, den Aufkauf des
Knabenheimes Kemperhof und seine
Umwandlung in ein Städtisches
Krankenhaus. Abriss und Neubau des
Krankenhauses Kemperhof gaben dem
ehemaligen Waisenhaus noch eine
Gnadenfrist. Erst 1987 erfolgte der Abriss
des verfallenen Hauses.
Der Kemperhof zieht nach Bendorf um:
Die ehem. "Villa Flora" als Knabenheim
Kemperhof in Bendorf
Um die Zöglinge
des Kemperhofs
unterzubringen,
kaufte der
"Koblenzer
Katholische
Männerverein für
Arme Knaben"
die Villa Flora der früheren Klinik Dr.
Colmant in Bendorf. Diese war nach der
Schließung der Klinik von der
Ordensgenossenschaft der Herz-Jesu-
Priester (Dehonianer SCJ) erworben und für
die Ordensnovizen als Johanneskolleg
eingerichtet worden. Mit den Knaben und
Pädagogen des Koblenzer Waisenhauses kam
der Name "Knabenheim Kemperhof" nach
Bendorf (Anm.: 1) Die Jungen besuchten die
Bendorfer katholische Jungenschule auf dem
Kirchplatz. Wie bei den Bischöflichen
Konvikten beauftragte das Bistum Trier einen
Diözesanpriester mit der Leitung des neuen
Kemperhofs. Wie viele kirchliche und
kirchennahe Einrichtungen (Anm.: 2) musste
auch der Bendorfer Kemperhof unter dem
nationalsozialistischen Regime seine Arbeit
stark einschränken bzw. sogar ganz
einstellen. Hier bedarf es noch historischer
Aufarbeitung. Unklar ist auch, wie und in
welchem Umfang die Arbeit nach dem Krieg
wieder aufgenommen wurde. Fest steht
jedenfalls, dass nach dem Krieg schlesische
Hedwigsschwestern Hauswirtschaft und
Leitung des Knabenheim kurzzeitig
übernommen haben, bis 1949 die Leitung an
die Salesianer Don Boscos der Deutschen
Ordensprovinz übergeben wurde. Hier
spielte wohl auch eine Rolle, dass sich die
Salesianer-Patres in der Bendorfer Seelsorge
(Sayn und Mülhofen) engagieren und so in
Bendorf eine Kommunität bilden konnten.
Bereits 1951 erfolgte über eine
Bistumsstiftung der Ankauf der ehemaligen
jüdischen "Jakoby'schen Anstalten", um die
Arbeit mit sozialgefährdeten Jungen
aufzubauen. Das Knabenheim Kemperhof
wurde deshalb 1952 so nach Sayn in die
Koblenz-Olper-Straße verlegt. Die Villa Flora
nutzte die Stadt Koblenz vorübergehend als
Altersheim. 1967 übereignete der Koblenzer
Katholische Männerverein für Arme Knaben
das Anwesen "Villa Flora" an die Salesianer,
um deren Arbeit im neuen Knabenheim
Kemperhof zu würdigen und zu unterstützen.
Diese verkauften das Anwesen 1968 an die
benachbarten Bendorfer Didier-Werke, die
darin ein Heim für Gastarbeiter einrichteten.
Aus für den Bendorfer Kemperhof:
Die ehem. Jakoby'sche Anstalt in Sayn
Die Arbeit der
Salesianer im
Sayner
Knabenheim
Kemperhof muss
an anderer Stelle
beschrieben
werden, sowohl die Erfolge wie die Probleme
und Konflikte. 1986 gab es unter der Leitung
der Patres Bzdock, Lindemann und
Federhenn neue Ideen und Initiativen, um
die Zukunft des Kemperhofs zu sichern:
Kinderhort, Jugendzentrum für offene
Jugendarbeit, Schließung der Schule und
Reduzierung auf das Internat, Erweiterung
der Zielgruppe in Richtung Jungen aus
problematischen Familienverhältnissen und
Aussiedlerfamilien, Jugendherberge und
Jugendgästehaus. Die Sporthalle wurde für
die Allgemeinheit geöffnet. Doch alle
Anstrengungen erreichten lediglich einen
Zeitgewinn. Bereits 1987 wurden Internat
und Heimschule geschlossen. Am 10.
Oktober 1998 verkündete die Kölner
Ordensleitung der Salesianer in der
Rheinzeitung die Schließung des Bendorfer
Kemperhofs. Wirtschaftliche Probleme,
fehlende Auslastung und die geringe Zahl
von Ordensmitgliedern wurden als Gründe
benannt.
Anmerkungen:
1) Die Villa Flora wurde im Zusammenhang
mit dem Abbau der Didier-Werke abgerissen.
2) In Bendorf betraf das auch das
traditionsreiche Hedwig-Dransfeld-Haus.
Hinweis zu Quellen und Literatur:
Christian Bruno von Klobuczynski, Aspirantat
bei den Salesianern, GRIN-Verlag 1994
Alexander Markus Homes, Gestohlene
Kindheit, Ullstein Verlag Berlin 1998
Alexander Markus Homes, Vorwort zu dem
Buch "Gestohlene Kindheit"; Webseite =
www.heimkinder-
ueberlebende.org/GESTOHLENE_KINDHEIT_
bei_Alexander_Markus_Homes.html
Webseite = www.salesianer.de
Bendorfer Zeitung 1969-08-13, Interwiev mit
P. Ziegler
Schaffranek Hans, Korrekturnotiz, Rhein-
Zeitung
1982-03-02 Bericht in der Rhein-Zeitung/
Bendorfer Zeitung 1997-07-09 über den
neuen Kinderhort
Bericht in der Rhein-Zeitung 1998-10-06
über die Schließung des Kemperhofs
1999-01-27 Kleeblatt: Michael Syré, Von der
Villa Flora zum 'Geisterhaus',
Hinweis auf einen externen Link
auf die Hompage der Stadt Bendorf:
Die ehemalige Jakoby'sche Anstalt in
Bendorf Sayn
© 2019 GGH-Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V.