Vogelzugbeobachtungen
am Rhein bei Bendorf
Erich Dittmann †
NSG Rheininsel
Graswert -
Rheinaue
Bendorf
Die
Umgebung
von
Koblenz
gleicht
einem
großen
Garten.
Jahrhundertelange
Arbeit
haben
aus
dem
einst
alles
bedeckenden
Wald
diese
selten
schöne
Kulturlandschaft
geschaffen.
Der
intensiven
Kultivierung
verdanken
wir
heute
den
Vogelreichtum
unseres
Gebietes.
Der
Urwald,
der
hier
herrschte,
barg
durchaus
nicht
jene
unerschöpfliche
Fülle
von
Wild-
und
Vogelarten,
die
wir
ihm
gerne
andichten.
Seine
letzten
spärlichen
Reste
in
einigen
europäischen
Staaten
zeigen,
daß
er
vielleicht
individuenreich,
aber
arm
an
Arten
war.
Erst
die
Hand
des
Menschen
schuf
die
abwechslungsreiche
Bodenbedeckung
in
Form
von
Feld,
Wald,
Wiese,
Weinberg,
Garten,
Obstanlage
und
Siedlung,
die
uns
heute
auf
kleiner
Fläche
einen
Artenreichtum
beschert,
den
der
Urwald
niemals
aufwies.
90
verschiedene
Vogelarten
sind
in
dieser
Gartenlandschaft
regelmäßige
Brüter.
Bezieht
man
die
Seltenheiten
ein,
kann
man
sogar
über
hundert kommen.
Den
großen
Vögeln,
die
weite,
menschenleere
Flächen
brauchen,
und
den
Wasservögeln
nahm
die
Kultur
in
unserem
dichtbesiedelten
Lande
den
Lebensraum.
Aber
immer
noch
zieht
der
Rhein,
wie
ein
Magnet
die
Eisenspäne,
die
wasserliebenden
Vogelarten
an.
Zwar
sind
die
Zeiten
vorbei,
wo
der
Strom
breit
und
wuchtig
durch
das
Neuwieder
Becken
floß
und
auf
weiten
Sand-
und
Geröllbänken
Möven,
Seeschwalben
und
Regenpfeifern
reichlich
Brutplätze
bot,
und
wo
auf
mächtigen
Bäumen
oder
in
großen
Schilfbeständen
Reiher-
und
Raubvogelarten
ihre
Nester
bauten.
Strom
und
Aulandschaft
gaben
allen
Nahrung.
In
Holland
haben
sich
bis
heute
noch
einige
dieser
Vogelarten
halten
können,
die
einst
das
ganze
Rheintal
bewohnten:
Löffler,
Purpurreiher
und
Säbelschnabler.
Die
Hoffnung,
eine
dieser
Seltenheiten
auch
einmal
bei
uns
zu
sehen,
ist
es,
die
mir
immer
wieder
das
Fernglas
in
die
Hand
zwingt und mich an den Rhein treibt.
Mit
der
Rhone
bildet
der
Rhein
die
große
Nord-Süd-Linie
durch
unseren
Kontinent,
der
so
viele
Vögel
auf
ihrem
Wanderweg
folgen.
Im
Herbst
und
Winter
sind
es
die
Nordländer,
die
unser
Gebiet
überfliegen
oder
hier
Winterquartier
nehmen;
im
Frühjahr
aber
sind
es
südliche
Arten,
die
im
Eifer
des
Nordwärtsstürmens
über
ihr
Ziel
hinausschießen
und
im
Neuland
vielleicht
sogar
siedeln,
wie
dies
vor
Zeiten
Steinsperlinge,
Steinrötel,
Zaun-
und
Zippammer getan haben.
Der
Herbst
1950
war
für
Zugbeobachtungen
einigermaßen
günstig.
Die
Trockenheit
des
Sommers
hatte
den
Wasserstand
des
Rheines
stark
gesenkt.
Besonders
zwischen
den
Inseln
Graswerth
und
Urmitzer
Werth
und
dem
rechten
Rheinufer
entstanden
grolle
Schotter-
und
Schlammbänke,
die
Voraussetzung
für
das
Rasten
wandernder
Strandläufer
sind.
Schon
im
Juli
waren
regelmäßig
Flußregenpfeifer
und
Flußuferläufer
anzutreffen,
aber
das
waren
sicher
einheimische,
denn
einige
Flußregenpfeifer
und
Flußuferläufer
brüten
auch
jetzt
noch
zwischen
Koblenz
und
Weißenthurm.
So
leicht
sind
die
Dickköpfe,
die
Regenpfeifer,
gar
nicht
auszumachen.
Ihre
graue
Oberseite
gleicht
den
Kieseln
und
die
schwarzweiße
Kopfzeichnung
fällt
zwischen
den
im
grellen
Sonnenlicht
glitzernden
nassen
Steinen
und
deren
dunklen
Schlagschatten
nicht
auf.
Die
Flußuferläufer
verraten
sich
schon
eher
durch
ihren
hellen
Trillerpfiff,
ein
helles
ti-
ti-ti.
Wie
Bachstelzen
trippeln
die
lerchengroßen
Vögel
am
Ufer
entlang
und
laufen
bis
zum
Bauch
ins
Wasser
hinein.
Kommt
man
ihnen
zu
nahe,
dann
werden
sie
erregt
und
machen
eigenartige
Bücklinge.
Auch
die
Kibitze
halten
sich
gern
mit
ihnen
zusammen.
Sicher
sind
sie
in
der
Nähe
zu
Hause,
und
nur
die
günstige
Nahrungssuche
auf
den
Schlammbänken
des
zurückweichenden
Flusses
hat
sie
hierher
gelockt.
Träg
ist
der
Flug
ihrer
runden
Schwingen
und
selten
wuchtelt
einer
einmal
im
Fluge
hin
und
her,
wie
sie
es
im
Frühling
so
gern
tun.
Es
ist,
als
wenn
sie
das
Fliegen
verlernt
hätten,
oder
sparen
sie
ihre
Kräfte
für
den
weiten
Flug
ins
warme Winterquartier?
Zeichnung des
Verfassers
Wundervolle
Flötentöne
kommen
aus
der
Luft.
Ein
paar
Brachvögel
ziehen
hoch
oben
vorbei.
Selten
schwingen
sich
die
Keilhaken,
wie
man
sie
an
der
Wasserkante
nennt,
hier
ein.
Sie
lieben
die
Weite.
An
den
Meeresküsten
halten
sie
sich
gerne
auf,
aber
das
Land
überfliegen
sie.
Ihre
kleineren
Vettern
dagegen
rasten
schon
eher
auf
den
Schotterbänken.
Am
häufigsten
traf
ich
die
Rotschenkel.
Sie
sind
reichlich
amselgroß,
wirken
aber
durch
ihre
langen
Beine,
den
langen
Hals
und
den
langen
Schnabel
wie
Miniaturstörche.
Weithin
hallt
ihr
klangschönes
clü-clü-clü.
Nur
die
größeren
Grünschenkel
tun
es
ihnen
hierin
gleich.
Aber
sie
stellen
sich
viel
seltener
bei
uns
ein.
Vom
dunklen
Wasserläufer
sah
ich
nur
ein
Exemplar.
Sein
zweisilbiger
Ruf,
der
wie
tju-it
klingt,
ließ
mich
aufhorchen.
Der
Vogel
machte
es
mir
nicht
schwer.
Er
ließ
sich
aus
nächster
Nähe
betrachten.
Diese
Nordländer
sind
oft
recht
vertraut.
Sie
kennen
den
Menschen
kaum
und
haben
noch
keine
schlechten
Erfahrungen
mit
ihm
gemacht.
Das
Tollste
in
dieser
Hinsicht
erlebte
ich
mit
einem
Sanderling.
Er
ließ
mich
bis
auf
einen
Meter
heran.
Diesen
Abstand
wahrte
er
allerdings.
Ich
wollte
ihn
gern
fliegen
sehen
und
ging
näher.
So
schnell
seine
kleinen
Beinchen
ihn
tragen
konnten,
trippelte
er
vor
mir
her.
Als
ich
schneller
lief,
wurde
ihm
die
Sache
zu
dumm,
und
er
flüchtete
sich
ins
Wasser.
Erst
als
ich
ihm
auch
dahin
folgte
und
mit
den
Händen
nach
ihm
griff,
flog
er
einige
Meter weg.
Im
September
sah
ich
einige
Halsbandregenpfeifer.
Sie
sind
etwas
größer
als
unsere
Flußregenpfeifer
und
noch
dickköpfiger.
Neben
ihnen
wurmte
ein
Trupp
Alpenstrandläufer
in
dem
Schlamm.
Diese
kleinen
Tolpatsche
setzen
einen
immer
wieder
in
Erstaunen,
wenn
sie
fliegen.
Wie
von
einer
unsichtbaren
Hand
gelenkt,
führen
sie
ihre
Schwenkungen
aus.
Jetzt
zeigen
alle
die
weiße
Unterseite,
im
nächsten
Augenblick
winkeln
sie
nach
rechts
ab.
Keiner
kommt
auch
nur
um
den
Bruchteil
einer
Sekunde
zu
spät.
Auch
Stare
machen
solches
Exerzierfliegen,
aber
den
Alpenstrandläufern
gegenüber
sind
sie
Stümper.
Die
Inseln
haben
auch
Dauergäste.
Elstern,
Rabenkrähen
und
Stare
schwingen
sich
in
die
hohen
Bäume
gern
zum
Schlafen
ein.
Die
Eisvögel
fühlen
sich
hier
ungestörter.
Lachmöven
und
Stockenten
suchen
die
Stellen
auf
den
Schotterbänken
auf,
die
nicht
so
leicht
erreichbar
sind.
Trägen
Fluges
kommen
allabendlich
die
Fischreiher
gezogen,
um
auf
der
Insel
zu
nächtigen.
Sie
hielten
sich
lange,
und
erst
das
winterliche
Hochwasser
zwang
sie,
bessere
Futterplätze
aufzusuchen.
Auch
die
Schwarzmilane
sollen
nicht
vergessen
sein,
wenn
sie
auch
schon
früher
die
Reise
nach
dem
warmen
Süden
antraten als die Reiher.
Im
Oktober
und
November
zogen
Gänse
und
Kraniche.
Graugänse
waren
selten
dabei.
Saatgänse,
die
man
hier
Schneegänse
nennt,
kamen
in
größeren
Flügen.
Da
sie
nach
Südwesten
ziehen,
queren
sie
den
Rhein
nur.
Der
Anblick
des
gewaltigen
Stromes
bringt
sie
aber
doch
in
Aufregung.
Am
21.
Oktober
1950
flogen
hoch
in
den
Lüften
etwa
70
Saatgänse
in
vorbildlichem
Doppelkeil
über
Bendorf.
Als
sie
sich
dem
Rhein
näherten,
geriet
ihre
Flugordnung
tüchtig
durcheinander,
und
es
dauerte
geraume
Zeit,
bis
sie
sich
wieder
zur
Keilform
zusammenfanden
und
weiterflogen.
Im
November
und
Dezember
beherrschten
die
Enten
das
Bild.
Über
zweihundert
Stockenten
bezogen
Winterquartier
auf
Graswerth.
Ab
und
zu
erhielten
sie
Gesellschaft.
Tafel-,
Krick-
und
Knäkenten
blieben
gewöhnlich
nicht
lange.
Ein
Flug
Mittelenten
dagegen
verweilte
über
eine
Woche.
Abseits
von
den
Enten
hielten
sich
die
kleinen
Zwergtaucher,
die
wie
Korkbällchen
auf
dem
Wasser
schwammen.
Einmal
war
sogar
ein
Schwarzhalstaucher
unter
ihnen.
Bekassinen
und
grünfüßige
Teichhühner
suchten
die
Schlammbänke
nach
Futter
ab.
Manchmal
huschte
eine
Wasserralle
zwischen
ihnen
umher.
Je
weiter
es
in
den
Winter
hineinging,
um
so
mehr
der
kleinen
Taucher
verschwanden,
und
mit
ihnen
die
Lachmöven,
die
durch
die
Herbstmauser
ihre
schokoladebraune
Kopfzeichnung
verloren
hatten
und
nun
ihren Jungen glichen.
Das
winterliche
Hochwasser
machte
alle
Hoffnungen
auf
gute
Beobachtungen
zunichte.
Lediglich
ein
Zwergsäger
fischte
im
Januar
auf
dem
Rheinarm
zwischen
Graswerth
und
Bendorf.
Sein
reinweißes
Gefieder
machte
ihn
weithin
kenntlich.
Erstaunlich
war,
daß
er
sich
nicht
abtreiben
ließ.
Die
Strecke,
die
ihn
die
Flut
stromab
riß, holte er beim Tauchen wieder auf.
Skizze des Verfassers
Leider
hielt
das
Hochwasser
bis
weit
in
das
Frühjahr
hinein
an.
Sogar
die
Stockenten
suchten
ruhigere
Wasserflächen
auf.
Was
von
ihnen
auf
der
Insel
zurückblieb,
getraute
sich
kaum
noch
ins
Wasser.
Der
Frühjahrszug
wurde
durch
das
kalte
Wetter
verzögert.
Aber
schließlich
verschwand
doch
der
Rauhfußbussard,
der
den
Winter
hier
verbracht
hatte.
Die
Schwarzmilane
kehrten
wieder
und
ihr
helles
Wiehern
gesellte
sich
zu
dem
Katzenschrei
des
Mäusebussards.
Pfingsten
konnte
ich
einen
Fischadler
beobachten.
In
seinem
eleganten
Mövenflug
ging
er
über
den
rechten
Rheinarm
stromauf,
drehte
bei,
folgte
dem
Wasser
flußab
und
kam
wieder
zurück.
Die
weiße
Unterseite
leuchtete.
Deutlich
war
die
Kopfzeichnung
zu
sehen.
Plötzlich
winkelte
er
nach
unten
ab,
fing
sich
wieder,
zog
einen
Kreis
und
schoß,
die
Fänge
weit
nach
vorn
streckend,
aus
50
Meter
Höhe
ins
Wasser,
das
hoch
aufspritzte.
Bald
peitschten
seine
Schwingen
wieder
das
Wasser
und
schwer
schlagend
hob
er
sich,
einen
Fisch
in
den
Fängen,
in
die
Luft.
In
großen
Kreisen
schraubte
er
sich
bis
zur
Höhe
der
Hänge
empor,
um
schießlich
in
Nordwest-Richtung
abzufliegen.
Das
Glas
hielt
ihn
fest,
bis
er
im
Blau
der
Ferne
verschwand.
Wenn
man
jetzt
Zeit
hätte,
vielleicht
könnte
man
wieder
einmal
in
einen
Fischadlerhorst
sehen!
Während
schon
die
Mauersegler,
Rauch-,
Ufer-
und
Mehlschwalben
über
dem
Wasser
hin-
und
herschossen
und
in
den
schmalen
Schilfstreifen
des
Ufers
Teich-,
Schilf-
und
Drosselrohrsänger
konzertierten,
waren
immer
noch
einige
gefiederte
Gäste
anwesend.
Ein
Pfeifentenerpel
leistete
den
Stockentenmännern
Gesellschaft,
die
meist
faul
im
Schilf
einer
kleinen
Insel
zwischen
Graswerth
und
dem
Bendorfer
Ufer
herumlungerten.
Wenn
er
sich
aber
mit
ihnen
in
die
Luft
hob,
dann
war
er
ihnen
bald
voraus,
und
immer
wieder
mußte
er
seine
Flügel
quer
stellen,
um
seinen
rasenden
Flug
abzubremsen.
Zur
gleichen
Zeit
hielt
sich
auch
noch
ein
nicht
ganz
ausgefärbter
Schellentenerpel
hier
auf.
Meist
lag
er
tief
im
Wasser
und
tauchte
nach
kurzer
Atempause
mit
elegantem
Kopfsprung
weg.
Wenn
man
nicht
selbst
Brutstätten
dieser
Ente
gefunden
hat,
dann
glaubt
man
es
kaum,
daß
sie
sich
Baumhöhlen
dazu
auswählt,
aus
denen
die
Daunenjungen
wie
Mäuse
herausklettern.
Aus
drei
oder
vier
Meter
Höhe
purzeln
dann
die
Federbällchen
herunter
und
burren
dem
Wasser
zu,
wo
die
Mutter wartet und lockt.
Ende
Mai
kamen
die
letzten
Durchzügler.
Es
war
ein
Flug
nordischer
Schafstelzen.
Sie
schienen
es
durchaus
nicht
eilig
zu
haben.
Unsere
Schafstelzen
hatten
ihre
Nester
bereits
fertig.
Im
hohen
Grase
der
Rheinwiesen
knarrten
die
Wachtelkönige,
die
letzten
Heimkehrer,
ihr
eigenartiges
Lied.
Tagsüber
sang
kaum
noch
eine
Nachtigall.
Der
Gartenspötter
mit
seinem
scharfen,
aufdringlichen
Gesang
führte
jetzt
das
große
Wort.
Die
Sumpfrohrsänger
fanden
das
Getreide
hoch
genug.
Sie
verschwanden
aus
den
Brennesselwäldern
des
Uferstreifens,
in
denen
sie
sich
zunächst
herumgetrieben
hatten.
Da
haschten
noch
zwei
Dutzend
dieser
Nordländer
Fliegen,
Mücken
und
Schnaken
am
Rheinufer.
Während
hier
der
Frühling
allmählich
in
den
Sommer
überging,
zogen
sie
langsam
nordwärts,
ihrer
fernen
Tundraheimat
zu,
in
der
die
Sonne
eben
erst
die Gewalt des Winters zu brechen begann.
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